unter null

2011  //  köln  //  wachsfabrik

barbara fuchs

komposition ritzenhoff

 


Ein akustisch eingeschneiter Performance Parcours durch Pathos, Packeis und Proviant.

 In der Expedition „UNTER NULL“ wird das Publikum in vereiste Raum- Klang- und Bilderwelten geführt. Das Team  dieser Forschungsreise spielt mit  assoziativen Mikro- und Makro- Kosmen rund um den dritten Aggregatzustand des Wassers. Wie unter einem Sezierglas werden die medial geprägten Ingredienzien einer polaren Expedition in Augen- und Ohrenschein genommen. Sie werden herangezoomt, zerlegt, demontiert, verzerrt und aus ihren Kontexten isoliert und gespiegelt.

„hagere, erschöpfte Gesichter mit Eisverkrusteten Bärten schauten aus schneebedeckten Kleidern hervor. (...) um uns herum soweit das Auge reicht, nichts als Schneefelder (…) die gesamte Meeresoberfläche war von einer brodelnden Masse aus Eis  und Schaum bedeckt (…) rumorendes Eis (…) die Stille war überwältigend, wir befanden uns in einer toten vereisten Welt.“ (aus „die Schicksalsfahrt der Endurance“ von Frank Hurley)

 

UNTER NULL ist eine Ensembleproduktion von tanzfuchs PRODUKTION

Das Forschungsteam:
Barbara Fuchs – Regie, Bühne
Jörg Ritzenhoff – Sound
Kazue Ikeda - Performer
Odile Foehl – Performer
Wolfgang Pütz – Licht
Gisela Nohl – Stimme

Aus: StadtRevue | Tipp

|| Bei den Recherchen zum Thema Schnee und Eis begeisterte sich die Choreografin Barbara Fuchs für Ernest Shackleton, der 1914 mit dem Dreimaster "Endurance" zum Südpol reiste. Ihr neues Stück heißt "Unter Null". Aus den Knubbeln dokumentierter Geschichten faltet es Momente, Themen heraus. Enge und Weite: Die Gruppen campierten in Zelten, Häuschen, unter Booten und zogen durch unendliche Landschaften. Das Rutschen und Gleiten. Stürme. Erfrieren. Das Körperliche. "Das Fiese und die unglaubliche Schönheit", so Fuchs. Es tanzen Odile Foehl und Kazue Ikeda. Dazu die klirrende Soundwelt von Komponist Jörg Ritzenhoff. ||


Klaus Keil, aKT 12 + Choices, Kultur in NRW
Kälteschock
Die Ensembleproduktion „Unter Null“ bei Barnes Crossing in der Wachsfabrik – Tanz in NRW 11/11

Hat man die ersten beiden Räume hinter sich gebracht, ist es fast schon geschafft: der Südpol ist erreicht! Das Publikum hat ein paar eisige Momente hinter sich und kann nun das Packeis in der wiegenden See aus der bequemen Perspektive des Zuschauersessels in der Videoprojektion verfolgen. Zwei Extremräume waren zu durchleiden. Im ersten Raum drängten sich die etwa vierzig Zuschauer in klaustrophober Enge. Aus dem Off kommen dazu die Logbuch-Einträge einer eingeschlossenen Schiffscrew, die auf Rettung hofft. Schon nach wenigen Minuten dampft der Raum. Dann der Kontrast, als sich die Tür zum zweiten Raum öffnet. Frostige Kälte erwartet alle. Auch die gleißenden Scheinwerfer durchdringen den kalten Nebel nicht, und so tapst man unbeholfen durch das Nichts. Gekeuchte, gebrochene Stimmfetzen durchdringen den Nebel, dann tauchen zwei dick vermummte, durchfrorene Gestalten darin auf. Mehr als ein langsames Heben des Armes schaffen sie nicht. Mit einem realitätsnahen Einstieg konfrontieren die Choreografin Barbara Fuchs und ihr Team den Zuschauer der Tanz- und Klangperformance „Unter Null“. ...

In der Ecke des großen Saales stecken die beiden Tänzerinnen Odile Foehl und Kazue Ikeda wie in einer Gletscherspalte. Überleben auf engstem Raum. Die Bewegungsaktionen scheinen darauf angelegt zu sein, sowohl Momente des Realen zu vermitteln als auch die Stimmungen solcher Momente aufzufangen. In einem Solo krümmt und verdreht Odile Foehl ihre Gliedmaßen, als wolle sie damit in ihren Körper eindringen, um der Kälte zu trotzen. Dann stapfen die Tänzerinnen durch Mehl und setzen weiße Fußstapfen auf den Tanzboden: Spuren im Schnee. Schiffstaue und Seesäcke fliegen aus dem Off auf die Bühne. Gefrorene Kleidungsstücke werden knisternd und knackend ausgebreitet und kalt und steif angezogen. Massen von Styroporkügelchen simulieren eine Schneelandschaft.

Textfragmente aus Frank Hurleys „Schicksalsfahrt der Endurance“ werden eingespielt: „Es war ein elender Morgen ...“. Auch die Klang- und Geräuschkompositionen von Jörg Ritzenhoff sind darauf angelegt, einen möglichst realitätsnahen musikalischen Rahmen zu setzen. Metallisches Sirren macht Kälte hörbar. Nebelhörner zeigen den Weg. Dumpfe Schläge symbolisieren extreme Momente. Treffend setzt Ritzenhoff seine akustischen Kontrapunkte. ...
Die Inszenierung ... kehrt doch immer wieder zum ernsten Hintergrund zurück. Nachdem die beiden Tänzerinnen ... in wildem Aufbegehren gegen das Schicksal des Kältetodes antanzen, überwältigt sie die Schneewüste. In einem pathetischen Schlussbild treibt eisiger Wind Schnee über die liegenden Körper.


Thomas Linden, Kölnische Rundschau, 30.11.11

Ein kleiner Raum mit viel zu vielen Menschen. Von draußen schallen Rufe und Schüsse herein. Dann öffnet sich eine Tür, und es ist nur noch makellos milchiges Weiß zu sehen. Nebel, der fast vollständig die Sicht nimmt. Zwei Gestalten lösen sich aus der dunstigen Watte, offenbar frierend, mit klappernden Zähnen...
Ein stimmungsvoller Beginn; fröstelnd, unheimlich und mit einem guten Schuss Ironie lässt sich die Inszenierung an... Einsamkeit und Stille, zwei Zustände, die uns Menschen tief berühren, sind gleich präsent, wenn die extremen Bedingungen der Eiswüsten in Bilder oder Worte gefasst werden... Jörg Ritzenhoff produziert dazu einen atmosphärischen Klangteppich...