rauschen

2006  //  köln  //  orangerie

barbara fuchs

komposition ritzenhoff

 


STÜCK 2307,5

 

eine Tanz Fiktion,

ist die abschließende Produktion einer Trilogie, in der Tanz auf ein Filmgenre trifft. Der erste Teil TANZTAT, ein Tanzkrimi beschäftigt sich mit der mörderischen Tanzsucht, der zweite Teil EXITUS, eine Horrorfilmpersiflage um des Tänzers Tod, und nun im dritten Teil, der Entwurf einer Tanz Utopie.

Konzept und Idee: Barbara Fuchs
Choreographie und Tanz: Erika Winkler und Barbara Fuchs
Musik: Ritzenhoff
Video, Licht: Horst Mühlberger
Bühne, Licht: Marco Wehrspann
Kostüme: Sabine Kreiter
Supervision: Carla de Andrade Hurst
Dramaturgie: Odile Foehl
Koproduktion: Barnes Crossing | Choreographen-Netzwerk und Consol Theater, Gelsenkirchen

Zwei subatomare Teilchen ziehen ihre Bahnen durch die Galaxien. Da werden sie von einer gigantischen Gravitationswelle erfasst und finden sich plötzlich im Gamma Quadranten inmitten eines heftig tobenden Ionensturms wieder. Hmmh. Sie müssen einen Ausweg finden! Also machen sie sich auf die Suche nach einem Wurmloch. Lichtjahre dauert ihre beschwerliche und gefahrvolle Reise, bis sie endlich gefunden haben, was sie suchen: Es gelingt ihnen, sich durch einen engen Subraumtunnel zu zwängen und ...

...eine perfekte Symbiose aus Tanz, Musik, Dramaturgie, Kostümen und Video, die in den Bann zog.
Ilka Hetner, Schwerte

Barbara Fuchs Inszenierungen sind Geschichten über die Tanzkunst und ihre Protagonisten. Sie lässt dabei den Tanz auf die unterschiedlichsten populären Genres treffen, um die heutigen Sehgewohnheiten der Fernsehgesellschaft zu hinterfragen und zu karikieren. Diese, meist ironischen, Reflexionen sind geprägt von einer mit Humor unterwanderten Doppelbödigkeit, die eine neue, skurrile Sicht auf den Tanz eröffnet.

Um diese komplexen, verschachtelten Plots umzusetzen, verwebt sie tänzerische Elemente mit Sprache, Gesang, Musik, Pantomime, Licht und Video zu einer spannungsreichen Synthese.

 

Nicole Strecker, Kölner Stadt-Anzeiger, 07.11.2006

Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir befinden uns bei Sternzeit 2307,5 - und gucken mal, was der Tanz zu diesem Zeitpunkt so treibt: Zwei Geschöpfe liegen auf dem Boden, ein Lichtstreifen zieht über sie hin¬weg wie ein Radarschirm oder ein Fotokopierer. Wenn die beiden Kreaturen Leben signalisieren, tun sie es mit der Reduziertheit zweier Einzeller. Tatsächlich ist das „Stück 2307,5", die neue Choreografie von Barbara Fuchs, über weite Strecken wie der Blick ins Mikroskop. Zwei auffallend langgliedrige Körper, die sich sanft über den Boden schieben, bis sie aufeinander zum Liegen kommen. Wenn sie komplexere Bewegungen vollziehen, dann stets irgendwie verkehrt: Gelenke ver¬schieben sich in irritierende Rich¬tungen, Ellbogen wachsen zwischen den Kniekehlen heraus - der ganze Körper scheint falsch konstruiert. Barbara Fuchs selbst und die eindrucksvolle Tänzerin Erika Winkler krauchen als futuristische Leiber in dieser Tanz-Science-Fiction herum. Dazu schafft das Licht von Marco Wehrspann fantastische Stimmungen: mal ein grünblaues Wabern wie auf dem Meeresgrund, mal grellrote Laser-Strukturen, die nur die Umrisse der Körper erkennen lassen. Beständige Metamorphosen in einer präzise getakteten Tanzinstallation, in der sich Hightech, Natur und Wissenschaft auf ganz eigentümliche Weise verbinden. (nis)



Christina Grolmuss, KRITIK CAMPUS WEB 05.11.2006
Ouantenphysik – abstrakt und innovativ auf die Bühne gebracht
TanzKonkret verspricht eine Reise durch die Galaxien in der Orangerie


Mit dem „Stück 2307,5 – eine Tanz-Fiktion“ endet eine bemerkenswerte Trilogie, die sich mit dem Verschmelzen von Tanz und Filmgenres beschäftigt. In dieser von Regisseurin und Tänzerin Barbara Fuchs entworfenen Tanz-Utopie geht es um die beschwerliche Reise zweier subatomarer Teilchen, die sich im endlosen Wirrwarr des Universums gegen gigantische Gravitationswellen und bebende Ionenstürme behaupten müssen. Qualvolle Lichtjahre voller Gefahren müssen sie über sich ergehen lassen, bis sie in einem engen Subraumtunnel den lang ersehnten Ausweg finden.

Auf der Bühne sieht das dann in etwa so aus: Zwei Frauen von gleicher Gestalt und Körpergröße (Barbara Fuchs und Erika Winkler) bewegen sich langsam und synchron zunächst in sitzender Pose. Dann stehen sie langsam auf und drehen
sich, immer noch synchron, an einer Wand entlang. Der Bewegungsfreiheit sind dabei keinerlei Grenzen gesetzt. Alles, was mit dem menschlichen Körper umsetzbar scheint, wird auch umgesetzt. Bizarre verdrehte Körperhaltungen sind demnach keine Seltenheit. Der Raum ist erfüllt von einem atmosphärischen Rauschen der Unendlichkeit. Plötzlich aber verliert sich das gemeinsame Spiel, und jede Tänzerin folgt einem eigenen, individuellen Programm. Die Geräuschkulisse erinnert an sämtliche industrielle Sounds. So folgt auf das Rauschen ein Summen wie von Elektrogeräten, zwischendurch ertönt ein Hämmern, ein Signalton, eine springende CD – kein konstanter Klang, außer der leisen Wand aus plätscherndem Wasser, die für ein dezentes Maß an Beständigkeit sorgt. Zwischendurch wird die Aufmerksamkeit auf kuriose Videoprojektionen an der hinteren Wand gelenkt. Während die beiden Frauen im Vordergrund in voller Körperspannung kerzengerade auf der Bühne stehen und mit den Zehen wippen, tanzen im Hintergrund zweidimensionale Balletttänzerinnen ästhetisch durch das Bild. Die einzige klassische Tanzszene auf der Bühne bleibt hingegen mehr oder weniger im Dunkeln verborgen: Dies ist der dramatische Höhepunkt des Stückes, an dem beide Frauen nur noch als Umrisse im sonst abgedunkelten Raum zu erkennen sind, und auf deren Körpern rote Linien in Form von Lichtprojektionen die Bewegungen der Körper andeuten und ungewohnt verschwommen sichtbar machen.

Nach den ersten zwei Teilen „tanztat“ und „Exitus“ ist es Barbara Fuchs jedenfalls gelungen, das Publikum mit „Stück 2307,5“ zum Staunen und Nachdenken anzuregen. Denn alltägliche Sehgewohnheiten werden hier garantiert nicht befriedigt. Vielmehr erscheint vieles von dem, was in diesem Stück auf der Bühne dargeboten wird, als sehr befremdlich. In Anlehnung an ein Bertolt Brecht Zitat provoziert sie ganz bewusst, dem Körper und der Bewegung das Selbstverständliche zu nehmen um so die Neugierde der Zuschauer zu wecken.