shaum

2007  //  bremen  //  schwankhalle

choreographie helge letonja

komposition ritzenhoff

 


SHAUM
Mitwirkende
Anna Bussey, Virginia Gimeno Folgado, Günther Grollitsch, Jordi Vilaseca Lorite, Vanessa Pérez Tejedor
Tanzstück von Helge Letonja

Shaum ist Tanz und sucht nach dem, was schön ist, oder nach dem Ort, wo etwas schön ist.
„Wenn ich an einem satten Wald entlang fahre, sucht mein Blick die kahlen Bäume, die von einer Möglichkeit erzählen.“ – Helge Letonja hat sich mit einem Team von fünf Tänzerinnen und Tänzern auf die irrlichternde Suche nach der Schönheit gemacht. Die Erinnerungen der Kulturgeschichte im Rücken, haschen sie nach dem, was im Moment beglückt und sich umso schwerer greifen lässt. Wie der Tänzer den Atem, braucht die Schönheit die Luft, um nicht erdrückt zu werden von Gier und Neid.
Seit Jahrtausenden wird die Schönheit angebetet – und in Analysen zerrupft. In unzähligen Bildern reproduziert, ist sie derart präsent, dass man sie gern übersieht. Und doch hat der Mensch sie nicht aus den Augen verloren, denn ganz plötzlich kann sie erscheinen, in aller Stille wie ein Licht, in einer Ecke, zwischen zwei Leuten oder beim Blick in die Ferne. Sie braucht einen Betrachter, aber auch den Abstand zu ihm. Sie scheint selbstgenügsam zu sein, wie ein Mensch es nie sein kann. Vielleicht verstehen wir sie deshalb nie so ganz.

Die Verflüssigung des Augenblicks, die Bewegung im Begegnen, das Verwehen von Sehnsucht, das Schweifen von Blicken, das Klirren des Glücks, Flut und Ebbe in den Herzkammern, Leere und Fülle, Kreation und Zerstörung – Elemente wie diese fügt der Choreograph zu einem luftigen Gewebe. Jörg Ritzenhoff, Entwickler elektro-akustischer Soundscapes, übersetzt mit seiner eigens für das Tanzstück kreierten Komposition die Suche zwischen dem Natürlichen und dem Künstlichen in Klänge.
Shaum wurde im September 2007 uraufgeführt, wird aufgrund des großen Erfolgs nun erneut in der Schwankhalle gezeigt und tourt anschließend auf Einladung der dortigen Veranstalter nach Skopje/Mazedonien, Catania/Italien und voraussichtlich auch zum Kiew Travnevy Festival nach Kiew/Ukraine.

„Helge Letonjas Schlüsselszene [...] formuliert ironisch und plastisch seine Kritik, Schönheit durch ästhetische, kunsthistorische und modische Ideale oder Diktate zu erfassen, festzulegen und zu pervertieren. [...], optisch wirkungsvoll in den Kontrasten zwischen Licht und Schatten, transformiert der österreichische Choreograf seine Gedanken über Schönheitsbegriffe und deren Verformung in skulpturale Posen und Bewegungsformen, [...]“ (Klaus Witzeling/tanzjournal)

„Eine Geburt aus Gischt und Galle“ (Henning Bleyl/taz nord)


Komposition: Jörg Ritzenhoff 
Dramaturgie: Natalie Cropp 
Kostüme: Julia Bührle-Nowikowa (Entwurf) Barbara Teveßen (Schneiderin) 
Lichtdesign: Frauke Richter
Produktionsassistenz: Stefanie Wiedenmann

Tanztheater
Darkland
Das "Steptext Dance Project" eröffnet seine neue Spielzeit. "Darkland" heißt die neue Choreografie von Helge Letonja und sei "eine choreografische Recherche zur ambivalenten Schönheit des Verfalls".

In einem schwarzweißen Bühnenraum, dem im Verlauf buchstäblich der weiße Boden unter den Füßen weggezogen wird, begegnen wir fünf Tänzern und Tänzerinnen, die sich gelegentlich in Synchronität zusammenfinden, häufiger aber scheinbar beziehungslos umeinander gleiten, stolpern, zucken. Wo Annäherung stattfindet, wirkt sie oft entscheidender Mittel beraubt - ohne Hände Berührung ersehnend. Projektionen spielen in "Darkland" eine entscheidende Rolle. Auf zwei Leinwänden sehen wir Ruinen, Gebein, wie Scherenschnittfilmen entstammende Figuren, die sich in verrauschten Bildern bewegen, während eine knisternde Schallplatte läuft - verlorene Zeit nostalgisch gefiltert? Dann fließt zähes Pechschwarz über das herb(st)schöne Bild. Immer dunkler wird die Szenerie, die Musik (Jörg Ritzenhoff) schroffer, lauter - bis dann am Ende durch Baumkronen doch noch die Sonne bricht. Ein Neuanfang. Bis dahin hat Letonja prägnante Bilder gefunden. Allerdings gerät das Gesuchte bei der Recherche gelegentlich aus dem Blick. Aber das ist wohl das Risiko einer Recherche.

TAZ //  27.09.2008  
ASL