orlando updated

2009  //  bonn  // 

cocoondance

komposition ritzenhoff

 


// Uraufführung: 16. Oktober 2009, Theater im Ballsaal, Bonn

// In Koproduktion mit Theater im Ballsaal, Bonn / mit dem Theater im Ballsaal und dem tanzhaus nrw Düsseldorf

 

Im „Orlando furioso“ des Renaissance-Poeten Ludovico Ariostospielen streit-, abenteuer- und liebessüchtige Menschen die Hauptrolle. Verrückte, Einsame, die sich mit der Anarchie und dem Chaos ihrer Zeit herumschlagen. Das Epos, für das Ariost jede erdenkliche literarische Quelle von der Ilias über die Artus-Sage bis hin zur realen Geschichte des europäischen Mittelalters ausbeutete, ist insbesondere ein Labyrinth von Möglichkeiten, von Ariost in einerlebenslangen Bearbeitung beharrlich verworfen und aufgegeben. Es ist ein Anfang ohne Ende und ein Ende ohne Anfang. Die „postmoderne“ Ästhetik und Arbeitsweise Ariosts ist eine Einladung zur erneuten, spielerisch ironischen Auseinandersetzung mit dem vertrauten Material mit dem Ziel eines Updates. »Orlando- updated« - das Tanzstück des Tanzstücks. 

 

VON UND MIT

 

Miquel Barcelona, Patrick Entat, Volkhard Samuel Guist, Martin Inthamoussú, Juan Luis Matilla, Maura Morales, Vicky Pérez Miranda, Zufit Simon, Bärbel Stenzenberger, Eric Trottier, Yoshiko Waki und Jörg Ritzenhoff (Musik) /// Choreographie/ Regie: Rafaële Giovanola /// Komposition (nach Motiven der Oper »Orlando« von Georg Friedrich Händel): Jörg Ritzenhoff /// Lichtgestaltung: Marc Brodeur /// Video-Installation: Axel Largo /// Dramaturgie/Konzept: Rainald Endraß

PRESSESTIMMEN

 

"Die irrwitzige Fantasiewelt in Ariosts großem Epos vom rasenden Roland hat die Choreografin Rafaële Giovanola mit elf Tänzerinnen und Tänzern erforscht. Es gibt kein narratives Kontinuum und keine durchgängigen Figuren, sondern ständige Anfänge, Kreis- und Leerläufe, Annäherungen, Verfolgungsjagden und Kämpfe in dieser sich selbst zur Bühne gewordenen Welt, die aus den Fugengeraten ist, nachdem der Ritter Orlando wegen seiner unglücklichen Liebe zu Angelica den Verstand verloren hat."

(Elisabeth Einecke-Klövekorn, General-Anzeiger, Bonn)

 

"Den »Tod des Autors« verkündeten vor einigen Jahren die postmodernen Literaturtheoretiker und erklärten Geschichten zum Spielmaterial im Möglichkeitsreich. »Orlando« ist so ein Stoff, der seinen Ursprung vielleicht bei Ariost hatte, dann aber über Jahrhunderte hinweg immer wieder variiert wurde. (…) Besonders eindrücklich aber gelingen die vielen Partner- und Soloszenen, in denen die Tänzer ihre Vorstellungen von den durch die Jahrhunderte immer wieder transformierten Figuren präsentieren. Ein Mann und eine Frau verbinden sich zum Zwitter. Dazu bespielt Jörg Ritzenhoff live Computer und Cembalo, fleddert den Händel, zitiert Pop und kreiert Elektro. Ideal für das kunstvoll arrangierte Fiktions-Chaos über einen Stoff, dessen ›Updating und Reloading‹ sich sicher auch in ferner Zukunft fortsetzen werden." (Nicole Strecker, Kölner Stadtanzeiger)

 

"Rafaële Giovanola hat ihre Choreographie sichtlich überarbeitet. Vieles ist neu, anderes erkennt man wieder. Deutlich größer geworden ist die Abstraktion von der etwas kruden Handlung, was dann auch der intimeren Ballsaal-Atmosphäre und der größeren Nähe zum Zuschauer geschuldet ist. Sehr überzeugt dabei der choreografische Ansatz, der diese Sittengeschichte aus pflichtvergessener Liebe und Schlachtenlärm komisch oder heftig und immer hoch artistisch auf die Bühne bringt. Was für diese »new version« spricht, ist die größere Autonomie der Tanzbilder. Es sind keine festen Rollen. Das gibt der Zuschauerfantasiemehr Platz und den Tänzern mehr Raum auch für Sensibles. Verdienter großer Beifall." (Heinz-Dieter Terschüren, Bonner Rundschau)

Gastspiel im tanzhaus nrw Düsseldorf April 2009

 

"Keine leichte Aufgabe aus dem 1532 veröffentlichten Werk, bestehend aus 46 Gesängen, unzähligen Handlungssträngen und Figuren ein modernes Tanztheaterstück zu zaubern. CocoonDance ist dies mit einer hervorragenden Musikkomposition Jörg Ritzenhoffs gelungen. Und zwar durch eine komplette Dekonstruktion dieses »humoristischen Weltgedichts«. (…) Herausgenommen hat sich die Choreografin Rafaële Giovanola die gängigsten Assoziationen, diese in einen Topf geschmissen, gut durchgeschüttelt und auf die Bühne geworfen. Herausgekommen ist ein wunderbares zeitgenössisches Tanzstück von elf großartigen, individuellen Tänzern präsentiert. Allesamt wirken sie wie fremdartige Wesen, die nach ihren eigenen Gesetzen auf der Bühne agieren." (Stephanie Becker, Rheinische Post, Düsseldorf)

"Die Choreographie von Rafaële Giovanola nimmt die Struktur der Vorlage auf. Denn die epische Erzählung »Orlando furioso« wird als Werk beschrieben, das eine labyrinthische Struktur mit parallelen Handlungssträngen aufweist und den Leser in seinen Mahlstrom hinabzieht. (…) Jörg Ritzenhoff hat die suggestive Musik dazu geschrieben, er spielt sie auch live am Keyboard und Computer ein, mischt harsche Elektronik mit Postromantik und zitiert Händel, der den Orlando-Stoff dreimal vertonte. Ohren und Augen haben viel zu tun an diesem Abend, die TänzerInnen agieren mannigfaltig; eine Frau im Goldkleid begutachtet sie, ein Ritter ist ratlos. Für CocoonDance war es sicher eine Herausforderung, ihrer ersten Auseinandersetzung mit dem Stoff, »Orlando Scrapped«, eine weitere Version hinzuzufügen. Vielleicht ist dadurch aber auch eine gewisse Übertreibung entstanden, die sich im letzten Drittel als zweifelhafter Hang zum Komischen ausdrückt. (…) Das ist schade, weil es dem Stück einiges von seiner ursprünglichen Wirkung nimmt und sogar die hervorragenden Leistungen der TänzerInnen überdeckt. Langer Beifall nach siebzig Minuten im Irrgarten." (Thomas Hag, Neue Rhein Zeitung, Düsseldorf)

 

"Unmöglich, die verwickelte Handlung des Orlando furioso von Ariost in kurzen Worten zusammenzufassen. Unmöglich, diese Geschichte auf der Bühne wiederzugeben. Dennoch scheint die Erzählung aus der Renaissance so zu faszinieren, dass sich Händel in drei Werken ihrer angenommen hat und dass sich CocoonDance jetzt schon zum zweiten Mal in einer Choreographie darauf bezieht. In »Orlando updated« greift die Bonner Tanzgruppe daher auch nicht nur auf die in dem Ariostschen Werk geschilderte Handlung zurück. Vielmehr scheint es ihr darüber hinaus ein Anliegen zu sein, die dem Werk zugrunde liegende labyrinthische Erzählstruktur im Tanz sichtbar zu machen. (…) Auf dem Mond findet man Verlorenes wieder und so reist man bei Ariost dorthin, um den verlorenen Verstand des unglücklich verliebten Roland wiederzuholen. Den Verstand verliert man bei CocoonDance nicht, aber man findet tänzerisch hervorragend dargebotene, humorvolle 70 Minuten, die auch vom Publikum begeistert aufgenommen wurden." (Dagmar Kurtz, www.theaterkompass.de)

 

“Mit Sicherheit eines der Höhepunkte im Tanz in dieser Spielzeit in Deutschland: PIECES OF ME – CocoonDance.” tanzwebköln

 

„Seit Jahren erforschen die Choreografin/Regisseurin Rafaële Giovanola und der Dramaturg Rainald Endraß die Bedingungen und Möglichkeiten des tänzerischen Erzählens.  Das interaktive "Bonusmaterial" heutiger DVDs hat sie inspiriert zu einer Reflektion über unterschiedliche Wahrnehmungsperspektiven. Das Beiwerk wird zum Hauptwerk, die Zuschauer "navigieren" durch Fragmente von Geschichten, während die zentrale Story Fiktion bleibt. Das Publikum soll sich um die Spielfläche herum bewegen und seine Blickwinkel verändern. Schwarze Schriftzeichen am Rand des weißen Tanzbodens evozieren Peter Brooks "leeren Raum" und diverse topologische Konzepte des 20. Jahrhunderts, während die Geometrie des Ortes in wechselnder Beleuchtung (Raum und Lichtgestaltung: Marc Brodeur) changiert und durch die raffinierten Klangspuren von Jörg Ritzenhoffs Musik ständig neue Dimensionen gewinnt.  (…) Die Zuschauer erfahren sich als fragende Mit-Akteure, die aus performativen Bruchstücken ein mögliches Drama selbst erfinden dürfen. (…) Ein spannendes Stück ist "Pieces of me" gleichwohl, wenn auch eins über die mechanische Zerstückelung des Erlebens von Kunst und ihrer Herstellung. Langer, überzeugter Premierenbeifall nach einer schweißtreibenden Stunde, bei der man der harten körperlichen Arbeit der Tänzer beim Entstehen von Imaginationen unmittelbar begegnet.“ (General-Anzeiger, Bonn, Elisabeth Einecke-Klövekorn,19.10.2013)

 

„Der Blickwechsel, also die Änderung der Perspektive, gehört zu den wichtigsten Instrumenten von „CocoonDance“, der im Ballsaal beheimateten Tanzcompagnie, die so fabelhaft intellektuell tanzen kann dank ihrer Choreografien und ihres Dramaturgen. Wegen Rafaële  Giovanola und Rainald Endrass und Solisten, die ihr jüngstes Stück „Peaces of Me“ zur Weltraummusik von Jörg Ritzenhoff uraufführten. Auch sie selbst halten „Peaces of Me“ nicht eigentlich für ein Stück, sondern eher für Stückchen, aus denen sich wie aus geschüttelten bunten Glassplittern, reflektiert, immer, neue Bildchen zusammensetzen lassen. … Die Zuschauer, die sonst unbewegt im Sessel sitzen, bewegen sich um die Bühne herum. Dem Tanz auf der Bühne – wie ein großes, weißes Spielfeld – überlagerte sich die Bewegung des Publikums, über die sich noch ein eingespielter Film legte. Man kann das den DVD-Effekt nennen.“ (Bonner Rundschau, Heinz-Dieter Terschüren,19.10.2013)

 

„In der Auseinandersetzung mit den Themen ihrer Aufführungen erwächst Jahr für Jahr, Produktion um Produktion aus Rafaële Giovanola und ihren Tänzern eine Ästhetik des Gestus, brutal, freizügig und ausschweifend zugleich, aber immer absolut fesselnd. (…) Zu der Musik von Jörg Ritzenhoff, pulsieren die Triebkräfte von Leben und Tod, von Liebe und Hass, Dieser Tanz, wie ein Ritual, um die Obsessionen von Rafaële Giovanola zu bedienen, versetzt uns schon in Ungeduld, mit der wir ihre nächste Arbeit erwarten.“  (Nicole Mottet, freie Journalistin zur Vorpremiere PIECES OF ME)